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Immobilien erben und vererben

Adobestock

28. Mai 2020

Eine frühzeitige Nachlassplanung hilft, Klarheit zu schaffen und allfällig spätere Rechtsstreitigkeiten zwischen den Erben zu vermeiden. Dies beginnt in der Regel mit der Verfassung eines Testaments und endet mit der Übertragung von Immobilien. Welche Tücken es dabei zu beachten gilt, erläutern die Rechtsanwälte Sandra De Vito Bieri und Niklaus Glatthard im folgenden Interview.

Welche Möglichkeiten bestehen, seinen Nachlass zu regeln?

Der erste Gedanke gilt in der Regel zuerst den Testamenten und Erbverträgen. Oft vergessen geht, dass auch das Eherecht einen grossen Einfluss auf den Nachlass hat, da vor dem eigentlichen Erbgang eine güterrechtliche Auseinandersetzung stattfindet (die Ehe wird aufgrund des Todes rechtlich aufgelöst). Des Weiteren können unter anderem sachenrechtliche Instrumente (Vorkaufsrecht, Nutzniessung, Wohnrechte etc.) oder gesellschaftsrechtliche Regelungen (Aktionärbindungsvertrag mit Regeln betreffend das Ableben eines Aktionärs) unterstützend getroffen werden.

Was sind die Grundgedanken einer Nachlassplanung?

Zum einen ist die Nachlassplanung ein Zeichen für einen sorgfältigen Umgang mit dem Vermögen. Sie schafft ein Muster für nachfolgende Generationen. Zentral sind dabei die Zielvorstellungen: Was will ich mit meiner Nachlassplanung erreichen? Wie setzt sich mein Nachlass zusammen? Wer sind meine Erben und wie sollen sie meinen Nachlass erhalten? Letztendlich ist jede Nachlassplanung eine Standortbestimmung – das Leben geht danach weiter und unter Umständen ändern sich die Zielvorstellungen. Die Nachlassplanung und insbesondere die erstellten Urkunden und Dokumente sind daher regelmässig zu überprüfen.

Welche Szenarien sind bei der Übertragung einer Immobilie denkbar?

Die möglichen Szenarien hängen insbesondere von der Art der Immobilie und den Erben ab. Zudem ist es sinnvoll, die lebzeitige Übertragung einer Immobilie in eine ganzheitliche Nachlassplanung einzubetten. Je nachdem ergeben sich Vor- und Nachteile einer Lösung, die in Anbetracht der Zielsetzung der Nachlassplanung abzuwägen sind. Bei Liegenschaften, in denen die Erben mit ihren Familien wohnen sollen, sind insbesondere Erbvorbezüge, Schenkungen oder gemischte Schenkungen an die Erben denkbar. Bei Investitionsliegenschaften kann es zum Beispiel Sinn machen, diese in eine Immobiliengesellschaft einzubringen, an der die Erben beteiligt werden. Bei Gewerbeliegenschaften ist zu prüfen, ob diese in einen fortzuführenden Betrieb eingegliedert sind, der im Hinblick auf die Nachlassplanung einzubeziehen ist. Wenn mit einer Immobilie ein gemeinnütziges Ziel verfolgt werden soll, kann auch die Einbringung in eine Stiftung sinnvoll sein. Schliesslich kann es zielführend sein, die Immobilie zu veräussern.

Welche Optionen bestehen, wenn keine Erben vorhanden sind, sondern der Nachlass an eine Institution o.ä. vermacht werden soll?

Wiederum ist eine genaue Zielformulierung entscheidend. Zu prüfen ist im Grundsatz, ob eine bestehende Institution berücksichtigt oder selbst eine Institution (z.B. Stiftung) gegründet und zu welchem Zeitpunkt sowie in welchem Rahmen die Institution bedacht werden soll. Auch die Vererbung an eine Institution ist sorgfältig zu prüfen und vorzubereiten. Rechtlich stellen sich insbesondere erb-, steuer- und unter Umständen aufsichtsrechtliche Fragen. Hinsichtlich der Gründung und des Betriebs einer eigenen Institution, ob zu Lebzeiten oder im Todeszeitpunkt errichtet, sind der damit verbundene administrative Aufwand und die Kosten zu berücksichtigen. Dies kann belastend, aber auch erfüllend sein. Sofern eine bestehende Institution als Erbe in Frage kommt, kann bereits im Rahmen der Nachlassplanung der Kontakt mit der Institution aufgenommen und die zukünftige Zuweisung vorbesprochen werden. Dadurch entstehen immer wieder interessante Projekte.

Welche steuerlichen Aspekte sind bei der Übertragung einer Liegenschaft relevant?

Mit einigen wenigen Ausnahmen (insbesondere der Kanton Schwyz und der Kanton Obwalden; Luzern kennt eine Erbschafts-, aber keine Schenkungssteuer) erheben alle Schweizer Kantone eine Schenkungs- und Erbschaftssteuer. Dabei orientiert sich die Steuerpflicht am Wohnsitz des Schenkers bzw. des Erblassers. Die Höhe der Steuer bemisst sich nach dem Wert des übertragenen Vermögens und dem Verwandtschaftsgrad des Beschenkten/Erben. Grundsätzlich gilt: je näher verwandt, desto geringer der Steueransatz. Ehegatten und Personen in eingetragener Partnerschaft untereinander sowie Nachkommen, Stief- oder Pflegekinder sind in der Regel steuerbefreit. Der Eigentumswechsel bei einer Erbschaft, einer Schenkung oder einem Erbvorbezug sind typische Fälle, in denen die  Grundstückgewinnsteuer aufgeschoben wird. Es ist zu bedenken, dass bei einem späteren Verkauf der Immobilie durch den Beschenkten/Erben an einen Dritten die aufgeschobene Grundstückgewinnsteuer nachgezahlt werden muss. Dabei zählt die Differenz zum ursprünglichen  Kaufpreis des Schenkers/Erblassers und nicht zum Übernahmepreis im Rahmen der Schenkung bzw. des Erbvorbezug, wobei die Besitzdauer des vorherigen Schenkers und Erblassers angerechnet wird.

Was gilt es zu beachten, wenn ich zusätzlich Immobilien im Ausland besitze?

Die meisten Länder sehen eine exklusive Zuständigkeit für Immobilien in ihren Ländern vor. Damit ist man - selbst wenn der gesamte Nachlass in der Schweiz und nach Schweizer Recht abgewickelt wird - mit dem Recht des Landes konfrontiert, in welchem sich z. B. das Ferienhaus befindet. Das ist bei der Nachlassplanung miteinzubeziehen. Wir stimmen daher Nachlassplanungen in der Schweiz stets mit lokalen Kontakten im betroffenen Land ab. Zu diesem Zweck greifen wir auf unser grosses Netzwerk an internationalen Partneranwälten und -Notaren zurück.

Wie steht es um die Auszahlung eines Miterben?

Durch die Auszahlung eines Miterben scheidet dieser aus der Erbengemeinschaft aus. Entscheidend ist daher, dass sich bei der Auszahlung alle Erben einig sind. Zu prüfen bleibt, wie die verbleibende Erbengemeinschaft fortgeführt werden soll. Dies hat insbesondere eine Auswirkung auf die Finanzierung der Auszahlung. Sofern die verbleibenden Erben eine Fremdfinanzierung brauchen, ist auch unter ihnen eine grundsätzliche Einigung über den Nachlass sinnvoll. Es empfiehlt sich schliesslich in jedem Fall, die getroffene Regelung mit dem Miterben schriftlich festzuhalten.

Welche Möglichkeiten gibt es im Streitfall?

Wenn der Streit ausbricht ist zu bedenken, dass die Einleitung von Prozessen innerfamiliär oft Brüche hinterlässt. Eine Beratung durch einen gemeinsam gewählten Sachverständigen kann oftmals zur Beruhigung beitragen. Denkbar ist der Beizug eines Mediators oder eines Anwalts. Schliesslich kann selbst eine Besprechung unter Beizug der Vertreter aller Erben zielführend sein. Wenn alle Verhandlungen nicht zum Erfolg führen, bleibt einzig ein Gerichtsverfahren.

Gibt es andere Problemstellungen bei Erbengemeinschaften?

In unserer globalisierten Welt sind sowohl die Vermögen als auch die Familien oft weltweit verstreut. Eine Erbteilung wird dadurch oftmals erschwert. Gerade in solchen Konstellationen kann es Sinn machen, wenn der Erblasser einen Willensvollstrecker bezeichnet, der den Nachlass betreut und die Erben unterstützt. Oftmals sehen Testamente und Erbverträge Vermächtnisse vor. Vermächtnisnehmer sind keine Erben und haben einen Anspruch auf ihr Vermächtnis gegenüber der Erbengemeinschaft. Sie haben in diesem Rahmen auch ein Klagerecht. Es kann daher Sinn machen, die Vermächtnisnehmer im geeigneten Rahmen in die Diskussionen der Erbengemeinschaft einzubeziehen.

Wozu raten Sie unseren Kunden abschliessend?

Eine gute Nachlassplanung ist entscheidend und hilfreich, um zukünftiges Streitpotenzial zu vermeiden. Dabei lohnt es sich, auch die unangenehmen Aspekte der Nachlassplanung zu berücksichtigen. Zudem ist eine prinzipienbasierte Planung wertvoll, ohne jede Eventualität abschliessend regeln zu wollen. Oft kann es sinnvoll sein, die zukünftigen Erben in die Nachlassplanung miteinzubeziehen. Auch die Einsetzung eines Willensvollstreckers kann eine einvernehmliche Erbteilung fördern. Schliesslich gibt es handwerkliche Kniffe (etwa den Verlust von Privilegien im Streitfall), um die einvernehmliche Umsetzung der Planung zu fördern. In jedem Fall zeigt die Praxis: je komplexer der Nachlass und je internationaler die Verhältnisse, desto wertvoller die fachliche Beratung.

Hier finden Sie ein weiteres Praxisbeispiel

Sandra De Vito Bieri (lic, iur. LL.M, Rechtsanwältin und Partnerin bei Bratschi Rechtsanwälte, Zürich)

Niklaus Glatthard (LL.M., Rechtsanwalt bei Bratschi RA, Zürich)

De Vito Bieri Sandra
Glatthard Nikolaus

Hilfreiche Tipps für Ihre Nachlassplanung!

Die Nachfolgeregelung anzugehen heisst, eine emotionale Hürde zu überspringen und sich mit den zahlreichen Optionen sowie deren jeweiligen Vor- und Nachteilen vertraut zu machen. Einige der wichtigsten Kriterien und Anhaltspunkte, die Sie bei der Nachlassplanung beachten sollten, haben wir zusammen mit Frau Dr. Kezia Baader (Rechts- und Erbschaftsberaterin, WildbachPartner AG, Zürich) in einem Ratgeber für Sie zusammengefasst.

Kezia Baader (Dr. iur. LL.M, Rechtsanwältin und Partnerin bei WildbachPartner AG, Zürich)

Foto Baader